21.11.2018

Pflegedienst – warum?

 

 

Wie ihr alle wisst, kommt eine bestimmte Stundenanzahl pro Monat ein Pflegedienst zu uns nach Hause. Mittlerweile ist es auch tatsächlich nur noch einer: Das Wichtelteam aus Aschaffenburg. Aus diversen Gründen haben wir uns dazu entschlossen nicht mehr mit zwei kooperierenden Diensten zu arbeiten, sondern eben nur noch mit diesem einen. Und weil zum richtigen Zeitpunkt auch genügend Krankenschwestern und -pfleger zur Verfügung standen war der Umstieg kein Problem.

Schon oft wurden wir gefragt weshalb diese Leute überhaupt zu mir nach Hause kommen. Sogar böse Kommentare gibt es von Zeit zu Zeit von mehr oder weniger Fremden auf Spielplätzen oder auf offener Straße. Deshalb will ich euch heute erklären warum Papa und Mama diesen Vertrag eingegangen sind und was das im Alltag für uns bedeutet.

 

 

Hier sehr ihr einen Ausschnitt aus meinem Kinderzimmer. Ein wenig verrückt ist es schon, denn besagtes Kinderzimmer hat durchaus Ähnlichkeit mit einer Intensivstation. Bei Smartys, jedenfalls denen die schon vor der Zulassung von Spinraza Symptome zeigten, ist das aber leider unvermeidlich. Und genau deshalb habe ich auch einen Pflegedienst: Weil ich besondere Bedürfnisse habe. Papa und Mama kennen sich mit allem was ihr dort oben auf dem Foto seht richtig gut aus, sie sind Profis geworden, haben nachgefragt, sich einweisen lassen und die tagtägliche Anwendung tut den Rest. Aber nicht immer können die beiden mit 100% ihrer Aufmerksamkeit bei mir sein. Wie ihr wisst geht Papa ganz normal arbeiten. Eine Vollzeitstelle einige Kilometer von Zuhause entfernt, im schönen Freigericht. Er kann also von Haus aus schon nicht immer bei mir sein, denn wer futtern, Bücher kaufen, Rechnungen bezahlen und ab und an Ausflüge unternehmen will braucht Geld dazu. Dafür sorgt Papa – wofür Mama und ich ihm sehr dankbar sind.

Wann immer Papa arbeitet wären wir beide sozusagen „allein“ – jedenfalls was medizinische Belange betrifft. Denn obwohl wir sehr oft und regelmäßig Besuche von Verwandten bekommen, sind sie eben keine Profis wie Papa und Mama. Dafür fehlt ihnen einfach die intensive Zeit mit mir, ein wenig natürlich auch die Eltern-Kind-Beziehung und wenn wir alle ehrlich sind möchte auch niemand die alleinige Verantwortung für (im schlimmsten Fall) mein Überleben übernehmen. An dieser Stelle sei gesagt: Papa und Mama verübeln das niemandem! Aber auch die beiden müssen die „medizinische Verantwortung“ von Zeit zu Zeit abgeben. Weil ich auch für wenige Minuten nicht allein bleiben kann, übernimmt dann eine/r meiner Krankenschwestern oder -pfleger, die alle durch die entsprechende Ausbildung bestens darauf vorbereitet sind.

Aktuell ist der Pflegedienst jede Nacht von 21-8 Uhr, sowie Montag bis Freitag von 8-15 Uhr bei mir. Ausnahmen gibt es natürlich immer mal: Alle zwei bis drei Wochen ist auch am Samstagvormittag jemand hier damit Papa und Mama einmal gemeinsam ausschlafen oder etwas erledigen können. Oder aber wenn beide auf ein Konzert gehen wollen, dann kommt eher jemand zum Spätdienst von 14-21 Uhr. Und einmal im Monat gibt es eine Samuel-Mama-Nacht in der keine Pflegeperson da ist. Die Sonntage gehören eigentlich immer ganz uns als Familie. Hier machen wir Ausflüge oder hängen gemeinsam Zuhause rum, wie jede andere Familie das auch tut  😉  Mein Team besteht momentan aus sieben Pflegekräften. Einige davon kommen recht häufig, andere nur 1-2 mal im Monat. Auch ist es unterschiedlich ob die einzelnen Leute Tag- und Nachtdienste machen oder nur eines von beidem. Wann immer jemand neues in mein Team kommt (z.B. weil jemand anderes kündigt, schwanger wird oder länger krank ist) wird diese Person natürlich über mehrere Tage hinweg von einer Kollegin oder einem Kollegen der mich schon gut kennt eingearbeitet. Aber auch anschließend achtet Mama darauf, dass sie immer noch einige Zeit dabei bleibt, bis wir uns alle wirklich sicher fühlen und gut kennengelernt haben. Wie lange das genau dauert kann man nicht sagen – das ist von Person zu Person unterschiedlich. Ein bisschen wie die Eingewöhnung im Kindergarten eigentlich, nur andersrum  😉

 

Was bedeutet das also für den Alltag?

 

Wie schon gesagt, Papa arbeitet ganz normal von Montag bis Freitag. Mama ist Zuhause mit mir. Aber auch sie hat gelegentlich Arzttermine, muss einkaufen, das Auto waschen, Wäsche machen, das Haus putzen, den Hof fegen und den Rasen mähen (naja, manchmal), kochen, die Spülmaschine ausräumen, den vielen vielen Papierkram abheften, mit der Krankenkasse telefonieren (das macht ja Papa!) E-Mails schreiben und zusätzlich diese Geschichten hier aufschreiben  😉 In dieser Zeit ist dann immer eine Schwester oder ein Pfleger bei mir, damit nichts schief geht. Sie übernehmen dann meine ganze medizinische Versorgung, legen mir die Beatmung an oder ziehen sie aus, machen „Wawa“ mit mir (das ist mein Husten-Assistent), machen die PEG an meinem Bauch frisch, saugen mich ab und überwachen den Monitor, der meinen Puls sowie meine Sauerstoffsättigung anzeigt. Klingt für mich erstmal ziemlich langweilig, aber ich versichere euch, das wird es nie! Denn wir haben Glück: Wirklich alle Angestellten des Pflegedienstes machen ihren Job mit Leib und Seele, sie sind Kinderkrankenpfleger und haben auch Lust darauf: Sie spielen mit mir, lesen mir Bücher vor und machen ne Menge Quatsch, damit ich mich eben nicht langweile und auch kognitiv immer was dazulerne. Obwohl es nicht ihre Pflicht wäre sind Papa und Mama sehr froh, dass sie so sind. So wissen die beiden, dass ich nicht nur medizinisch, sondern auch menschlich in besten Händen bin. Manchmal mache ich mit Mama und dem Pflegedienst auch Ausflüge. Oft schöne, manchmal auch nötige, wie Fahrten zu Ärzten, da Mama mit mir allein leider nicht Auto fahren kann, weil ich so oft abgesaugt werden muss.

 

 

An dieser Stelle möchten wir alle drei auch mal DANKE sagen für den Einsatz, den alle Pflegekräfte hier leisten. Wir wissen, dass das nicht selbstverständlich ist!

Und natürlich hoffe ich, dass ihr da draußen einen kleinen Einblick bekommen habt wie es bei uns Zuhause mit dem Pflegedienst abläuft. Nur weil eine Pflegekraft hier ist heißt das noch lange nicht, dass ich Papa und Mama nicht sehe. Wann immer die beiden können verbringen sie trotzdem Zeit mit mir – wir leben alle gemeinsam hier, nicht nebeneinander. Wir alle mögen meine Pfleger und Schwestern sehr sehr gerne, sie gehören einfach dazu und dürfen sich im Haus ganz frei bewegen. Zugegeben: Zu Beginn war es schon ein wenig schwierig sich auf dieses neue Lebensmodell einzustellen. Wir alle sind selten ganz für uns, meist in Gesellschaft. Da muss man auch lernen sich abzugrenzen und den Menschen (nicht nur den Pflegekräften, auch den Therapeuten und Besuchern) offen sagen wann man Ruhe braucht. Mittlerweile funktioniert es aber wirklich gut, man lernt sich auch persönlich kennen und respektiert dann die Grenzen der anderen.

 

Irgendwie hat es ein bisschen was von einer Kommune, oder?

 Und das passt doch ziemlich gut,

wo wir doch im Irrenhaus bzw. der Hippiehütte wohnen  😉