21.09.2020
Samu-Chroniken
13.-20.09.2020
Hallo ihr da! Mein wöchentlicher Bericht kommt dieses Mal ein wenig später, denn es war viel los. Eine ereignisreiche, anstrengende und schöne Woche liegt hinter Papa, Mama und mir. Also machts euch bequem, los gehts!
Ich muss diese Woche strikt chronologisch erzählen, denn jeder Tag war speziell, die meisten ziemlich vollgepackt. Passend zum Ende der letzten Woche habe ich gleich am Samstagabend ein neues Lieblingsessen auserkoren: Milchschnitte! Die hatte ich schon letzte Woche im Kindergarten probiert. Als Mama spät abends noch schnell was einkaufen musste hat sie sich daran erinnert und einen 5er-Pack mitgebracht. Was hab ich mich gefreut! Kann man sehen auf dem Foto, oder? So lecker! Natürlich ohne das dunkle Gebäck außenrum, lieber mit den Löffel große Portionen Creme rausholen. Übrigens hab ich festgestellt, dass ich mich nicht für einen einzigen Lieblingsgeschmack entscheiden muss – ich wechsle nun einfach täglich zwischen Maggi und Milchschnitte. Läuft! 😉
Am Sonntag wars bei uns sehr unspektakulär, denn schon wieder war ich ein bisschen schnupfig und schlapp. Das hat sich in den letzten Wochen irgendwie so eingebürgert: Unter der Woche fit, damit ich zum KiGa kann, und am Wochenende dann immer ein kleiner Durchhänger. Ist ja auch alles anstrengend und aufregend. Also nutze ich die freien Tage um mich zu erholen und mit neuer Energie in die Woche zu starten. Das bedeutet zwar weniger Ausflüge zu machen und Freunde zu besuchen, denn das klappt meist an Sams- und Sonntagen am besten, aber sicher spielt sich das mit etwas Gewohnheit auch noch ein. Außerdem musste ich am Montag UNBEDINGT fit sein, denn….
…wir hatten einen Termin in der Uniklinik in Gießen. Ganz recht, ausnahmsweise nicht Freiburg. Denn für die großen Neuigkeiten, die ich euch vor Kurzem versprochen habe, war das einfach die praktischste Lösung. Seht ihr den Korb, der auf dem Foto oben vor meinem Buggy steht? Hätten die Passanten geahnt wie wertvoll der Inhalt ist, hätten wir ihn wohl nicht so unbedarft für das Foto dort stehen lassen können 😉 Darin befand sich ein ganz neues Medikament, das ich ab sofort anstelle von Spinraza im Rahmen eines Härtefallprogramms bekomme. Bestimmt denkt ihr „Hä? Spinraza? Was für ein Programm?“…also kurz von vorn. Seit November 2016 bekam ich (damals ebenfalls noch im Rahmen eines solchen Programms) das Medikament Spinraza. Kurz und knapp gesagt: Das hat mir das Leben gerettet. Es war das allererste überhaupt zugelassene Medikament gegen die SMA. Bei mir hat es nicht nur einen Stillstand der Krankheit bewirkt, sondern mir auch noch einige Fähigkeiten zurückgegeben. Papa, Mama und ich waren soooo dankbar Zugang dazu zu haben, denn bei meiner Diagnose im Frühling 2016 gab es rein gar keine medikamentöse Therapie. Leider muss Spinraza alle vier Monate mittels einer Lumbalpunktion verabreicht werden, das ist alles andere als angenehm. Ich habe es schon oft durchgestanden und die Schmerzen und die Mühen waren es wert, sonst wäre ich wohl schon nicht mehr hier, könnte nicht so toll kämpfen und sprechen. Trotzdem konnten Papa und Mama es nicht ignorieren als Anfang des Jahres im Raum stand, dass ganz bald ein neues Medikament verfügbar sein sollte, das täglich oral (bei mir über die PEG) Zuhause verabreicht werden kann. Fast genauso einfach wie ein Fiebersaft. Täglich zur gleichen Uhrzeit, unter besonderen Bedingungen (Kühlkette, Handhabung etc.), ganz ohne fiesen Rückenpieks. Die beiden haben lange darüber nachgedacht, mit meinen Ärzten und vielen anderen gesprochen. Denn trotz der tollen Rahmenbedingungen ist es einfach ein neues Medikament – keiner wusste wie gut ich es vertrage, keiner weiß ob und wie es anschlägt. Und doch haben wir schlussendlich alle gemeinsam entschieden, dass wir es wagen werden. Weniger Eingriffe, keine Risiken mehr durch die Punktionen, weniger stationäre Krankenhausaufenthalte. Wir waren mutig und haben einen Antrag auf das Härtefallprogramm gestellt. Das ermöglicht, obwohl ein Medikament noch nicht zugelassen ist, unter bestimmten Voraussetzungen (Sicherheit, Wirkung, Nebenwirkungsprofil etc.) eine Nutzung durch besonders „gefährdete“ oder schwer betroffene Patienten, die sonst keine oder sehr wenige Therapiemöglichkeiten haben. Die Daten werden natürlich weiter gesammelt und ich und alle anderen Patienten werden gut überwacht. Währenddessen wird ein solches Medikament kostenfrei vom Hersteller zur Verfügung gestellt, sollte die Zulassung klappen geht es natürlich regulär in die Kostenübernahme der Krankenkassen über. Aber zurück zu mir: Der Antrag auf das Härtefallprogramm wurde genehmigt! Also ging es am Montag nach Gießen, da das Medikament vorerst nur von teilnehmenden Kliniken bzw. deren Klinikapotheken hergestellt werden kann. Dort habe ich die erste Portion Superkraft-Saft bekommen und wir durften den Rest für die nächsten acht Wochen mit nach Hause nehmen. Ein verrücktes Gefühl für uns alle nun schon das zweite Medikament in den Händen zu halten, wo meine Prognosen früher doch so schlecht waren. Bisher, nach genau acht Dosen, vertrage ich es super. Was langfristig passiert, ob etwas passiert, es mir mehr, genauso gut oder weniger gut hilft – das wird die Zeit zeigen. Ich bin ziemlich froh nun weniger oft im Krankenhaus übernachten zu müssen. Und die ambulanten Termine, die schaff ich mit Links! Als Erinnerungston jeden Morgen auf Mamas Handy hab ich mir „Drunken Sailor“ ausgesucht – freue mich jeden Tag wenn er lospoltert, tanze mit (meistens mit den Armen und ausdrucksstarkem Augenbrauen-Wackeln) und rufe Mama zu: „Superkraft-Saaaaaaaft!“. Obwohl unser Kühlschrank wegen Überfüllung regelmäßig geschlossen sein wird (Kühlkette!) und das Gemüse draußen im Sommerkühlschrank lagern muss: Für den Moment sind wir alle sehr zufrieden, es fühlt sich richtig an.
Der Dienstag war dann – nach so viel Aufregendem – ein ziemlich normaler und entspannter Tag. Jedenfalls für mich. Kindergarten mit meinem einzigen männlichen Krankenpfleger, der zudem noch lange im Urlaub und krank war – hab mich ziemlich gefreut ihn wiederzusehen. Und am Nachmittag hab ich mit Oma A draußen auf der Hollywoodschaukel gespielt. Ein Tag ganz so, wie ich ihn mag 🙂 Im Gegensatz dazu hatten Papa und Mama ziemlichen Stress. Nicht nur am Dienstag, sondern auch die Tage zuvor mussten sie einen ziemlich langen und komplizierten Antrag ausfüllen, am Dienstag selbst hatte Papa immer noch super viel zu tun, Mama musste das Papierchaos beseitigen, das Haus wieder „bewohnbar“ machen und sich den Wäschebergen widmen. Neben der Pflege bedeutet ein Smarty sein nämlich auch ne ganze Menge Organisation, Telefonieren und Schreiben…
Auch am Mittwoch blieb es eher ruhig. Nach dem Kindergarten hatten wir kurz Besuch, um uns nochmal Farben für unser hoffentlich bald fertig verputztes Haus anzuschauen. Der Sockel wird unumstritten dunkelgrau, so wie die Hautür und das Dach. Bei der Fassade gab es bei Papa und Mama allerdings unterschiedliche Richtungen – schlicht oder eher auffällig? Weil Papa kräftige Farben mag und Mama eigentlich immer ein Holz-Häuschen im „schwedischen Stil“ wollte, soll es nun die Farbkombi vom Foto oben werden! Das Rot sieht zwar etwas zu orange aus hier – in echt hat es aber genau den richtigen Ton zwischen Rostrot und zu lila 😉 Mama hat mir die Farbkarte nach meiner Mittagspause gezeigt…ich bin mehr als zufrieden, denn die gleichen Farben hab ich auch für meine Silikon-Handorthesen und die Bezüge meiner Sitzschalen im E-Rolli und im Therapiestuhl ausgesucht. Echt piratig! Nun hoffen wir, dass alles passt und auch ganz bald alles fertiggestellt werden kann. Die „Gerüst-Zahnspange“ steht langsam wirklich lange genug. Außerdem hatte ich einen „Mutausbruch“! Schon letzte Woche hab ich ja erzählt, dass mich normalerweise nur Papa und Mama tragen dürfen. Am späten Nachmittag nach dem Rolli fahren, ganz spontan, dachte ich aber, dass auch der Mann von Mamas Cousine es mal versuchen könnte…und schwups, sind wir durch den Garten gelaufen und er hat mich ins Bett gelegt. Ziemlich cool, finden wir alle hier!
Nochmal aufregend wurde es am Donnerstag. Mit dem schon erwähnten Krankenpfleger war ich wieder im Kindergarten. Gegen Mittag bekam Mama dann eine Nachricht von ihm, dass ich gerade in der Nestschaukel liege – wie ich da wohl hingekommen sei? Ihr könnt es euch denken, oder? Ich hab mich wieder getraut, mich von jemandem auf den Arm nehmen zu lassen! Kurz vor dem Mittagessen war die Schaukel nämlich endlich mal frei, da musste ich die Chance einfach nutzen. Es hat super geklappt, ein Mädchen aus meiner Gruppe hat mich angeschubst und ich bin einfach ein bisschen später zum Mittagessen – Prioritäten! 😉 Zum Abholen nach dem Essen hatte Mama dann Verstärkung dabei: Oma B. Ich freue mich immer riesig wenn noch jemand dabei ist, auch wenn sie coronabedingt natürlich an der Tür stehen bleiben muss. Zuhause angekommen warteten schon meine beiden Tanten und die kleine Cousine. Wir haben gespielt, geredet, einfach zusammengesessen und Karottenkuchen gegessen, den Mama gebacken hatte. Kurz bevor sich am Nachmittag dann alle verabschieden wollten habe ich nochmal meinen ganzen Mut zusammengenommen und Oma B gebeten mich auf den Arm zu nehmen. Hat geklappt, so langsam bin ich ein Profi 🙂
Bald habt ihrs geschafft – wir sind schon beim Freitag! Papa und Mama haben was total Verrücktes gemacht: Sie waren zum ersten Mal beim Elternfrühstück des Kinderhospizvereins! Das war früher nie möglich, da ich Zuhause und recht ängstlich war. Außerdem musste Papa ja immer arbeiten. Wie schon gesagt, man kann aus jeder Situation (in diesem Fall Papas Arbeitslosigkeit) etwas Gutes ziehen. Endlich mal Zeit für ein solches Treffen und Austausch mit anderen Eltern. Weil Mama deshalb ein bisschen zu spät beim Kindergarten ankam, um mich abzuholen, musste ich mir die Zeit mit meiner Krankenschwester vertreiben. Da sie mich nun tragen darf, hab ich mich eeeendlich mal ins Bällebad im Kindergarten getraut! Im Anschluss war dann Oma A wieder zu Besuch und wir haben gespielt. Mama hat Apfelmus aus Äpfeln aus dem Garten meines Krankenpflegers gekocht, die er netterweise extra mitgebracht hat!
Und zum Abschluss für euch alle eine Dosis Niedlichkeit: Australian Shepherd Welpen! Das auf dem Foto ist Kalle, denn der Wurf, den ich bei unserer lieben Bekannten besuchen durfte, trug Astrid Lindgren Namen. Auch Ronja, Lotta und Michel gab es. Papa war aber gleich ein bisschen verliebt in Kalle, der einfach auf seinem Arm eingeschlafen ist. Ich wurde ziemlich viel an den Händen abgeschleckt, hab mich getraut die Kleinen zu streicheln und sie beim Raufen und Tag verschlafen beobachtet. Ein tolles Ende für heute finde ich – von meinem Kranksein seit gestern erzähle ich euch dann lieber nächste Woche 😉
Zum Abschluss noch die von Mama ausgewählte Best Of Liste dieser Woche:
Ich zu Mama: „Das hängt an deiner Langsamität – so oder so ähnlich muss es sein!“
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Mama: „Stimmts oder hab ich Recht?“
Ich: „Mama, das ist doch beides das Gleiche…“
Mama: „Ja, weil ich immer Recht habe!“
Ich: „Mama, niemand kann immer Recht haben, ich auch nicht!
….obwohl, doch!“
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Ich: „PapaMama (Oma A), du darfst den T-Rex nicht am Schwanz anfassen!“
Oma A: „Warum?“
Ich: „Dann ist es aus mit der Oma!“
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