21.08.2020

Schwups, Sommer!

 

 

Hallo ihr! Irgendwie ist es spät geworden – spät im Jahr, wieder mal lange her seit dem letzten Eintrag. Es fühlt sich alles etwas merkwürdig an mit Corona, als ob das letzte halbe Jahr einfach so vorbeigeflogen wäre. Ein Arzt von meinem Palliativteam meinte mal, dass man Routinen kaum noch erlebt, also nicht als wirklich gelebte Zeit wahrnimmt. Das kennt jeder Erwachsene vom regelmäßigen Auto oder Bus fahren – plötzlich fragt man sich, wie man ans Ziel gekommen bzw. warum die Haltestelle so plötzlich schon da ist. Unsere Gehirne schalten ab, speichern nichts Neues, weil wir nichts Neues erleben. Ungefähr so fühlten sich die letzten Monate bei uns Zuhause auch an – obwohl es doch schon einige Neuerungen gibt.

 

 

Zum Beispiel sitzt Mama gerade im Garten während sie meine Geschichten aufschreibt und kann dabei das Plätschern unseres Brunnens genießen. Der war beim Hauskauf schon dabei, recht versteckt, ein bisschen eingewachsen und bis vor Kurzem ohne funktionierende Pumpe. Wie ihr sehen könnt funktioniert er nun aber. Und das ist toll für uns alle, denn ein wenig Freischneiden, Putzen und der Einbau einer neuen kleinen Pumpe sorgen dafür, dass nicht nur Papa und Mama sich kurz abkühlen können – auch ich halte gern mal meine Füße ins Wasser während Mama mich auf dem Arm hält. Sogar die Nachbarn freuen sich, weil er irgendwie beruhigend ist. Sämtliche Tiere, mein neuer, „alter“ Kater Pfeffer (aus dem Tierschutz, der Mitte April bei uns einziehen durfte) eingeschlossen, nutzen ihn gerne. Und wie immer ist es schön alte Dinge wiederzubeleben, Vorhandenes zu nutzen und wieder fit zu machen, denn so bleibt ein bisschen Geschichte vom Haus erhalten.

 

 

Neben dem Brunnen gibt es noch diverse weitere kleine Veränderungen, die das Gesamtbild hier noch runder machen. Ein Regal für meine Tonies, endlich Deckenleuchten statt Löcher in meiner Zimmerdecke, funktionierende Rollläden, ein teilweise aufgeräumter und wieder unter Kotrolle gebrachter Garten oder eine kleine Sommerküche aus Bau-Überbleibseln neben meiner Hollywood-Schaukel. Die Ergebnisse sind toll, machen mein, Papas und Mamas Leben noch einfacher und schöner – leider ist die Ursache für das „geballte Auftreten“ solcher Arbeiten eher unschön: Papa hat seit einigen Wochen keinen Job mehr. Auf der einen Seite mehr Zeit für mich und das Haus, auf der anderen Seite finanzielle Unsicherheit und die Sorge wie es mit Corona und der Wirtschaft so weitergeht. Wann und welchen Job findet er? Müssen wir umplanen und Papa zum Hausmann machen, weil Mamas Ausbildung „systemrelevanter“ ist und damit leichter eine Arbeit zu finden wäre? Wie geht es weiter? Alles ziemlich unklar, aber wir lassen uns nicht unterkriegen und machen das Beste daraus. Zum Beispiel die Klingel in Gang bringen…ihr dürft sie also benutzen wenn ihr mal zu Besuch kommt und müsst nicht mehr an die Scheiben klopfen  😉

 

 

Zum Abschluss heute möchte ich euch die allergrößte Neuigkeit für mich natürlich nicht vorenthalten, auch wenn sie gar nicht mehr so frisch ist: Ich bin offiziell ein Kindergarten-Kind! Einige denken bestimmt „Hä? Gerade jetzt? Was ist mit Corona? Ist das nicht super gefährlich?“ – Papa, Mama und ich sagen „Jein!“. Noch immer haben wir Respekt vor Corona, das steht fest. Wir halten uns weiterhin an alle Regeln, die beiden schützen mich so gut es geht. Und trotzdem mussten wir alle gemeinsam beschließen, dass die komplette Isolierung einfach zu viel war. Für den Zeitraum okay. Genau richtig lang. Aber eben doch zu lange. Ich habe nach den vielen Wochen ohne Besuch und ohne Ausflüge mehr und mehr Angst bekommen. Angst überhaupt noch raus zu gehen, selbst ein Spaziergang auf Wald- und Wiesenwegen hat mir Angst gemacht. Immer wieder habe ich Papa und Mama gefragt „Aber was ist mit Corona?“. Das ging für uns alle nicht mehr so weiter. Also haben wir, als bekannt wurde, dass Kinder mit Förderbedarf im Mai wieder in Kindergärten, Tagesstätten und Schulen betreut werden durften, mit allen, wirklich ALLEN gesprochen denen wir vertrauen und sie zu dem Thema befragt. Am eindrücklichsten für Mama war das Gespräch mit einer Ärztin des Palliativteams. Sie fragte, wie es mir so geht mit Corona und der Tatsache, dass ich nicht mit dem Kindergarten anfangen kann. Mama sagte, dass es mir bis zu diesem Zeitpunkt nichts ausmachte, da mein Zeitgefühl noch nicht so gut sei. Nach einigen anderen Themen kam die Ärztin darauf zurück und fragte, ob meine Lebensqualität und das aktuell Erlebte nicht wichtiger sei als mögliche, hypothetische Folgen, WEIL ich eben noch kein gutes Zeitgefühl habe. Sie sagte, dass ich demnach doch im Hier und Jetzt lebe – nicht in der Welt nach (oder mit kontrolliertem) Corona-Virus. Papa und Mama fanden sie hatte Recht. Nach vielen weiteren Gesprächen, auch mit meinem Lungenfacharzt und vielen Familienmitgliedern, stand also fest, dass ich (natürlich unter geltenden Schutzbestimmungen) in den Kindergarten gehen darf. Und soll ich euch was sagen? Das war die allerbeste Entscheidung!

 

 

Mein Kindergarten ist toll! Unter der Leitung der Lebenshilfe wurde er erst dieses Jahr ganz neu eröffnet, in ziemlich schönen Containern, die man von innen kaum als solche erkennt. Es gibt viele liebe Erzieherinnen, auch meine Therapien können dort endlich wieder stattfinden. Jeden Tag von 8:30 Uhr bis 12:45 Uhr bin ich dort – wenn nicht gerade Ferien sind, wie jetzt. Ich esse dort mit allen anderen zu Mittag, bekomme genau das püriert, was die anderen auch essen. Das klappt ziemlich gut! (Bis auf das eine Mal, als der Käse der Rigatoni al forno im PEG-Schlauch stecken geblieben ist  😉 ) Aber es gibt dort kein Problem das nicht zu lösen, kein Hindernis das nicht zu überwinden wäre. Gleich am ersten Tag hab ich mich verabschiedet mit den Worten „Mama, Papa, ihr könnt jetzt gehen, ich will meinen Spaß haben!“. Und seitdem klappt es, abgesehen von kleineren Zwischenfällen, super gut. Nächste Woche gehts wieder los und ich erzähle euch bestimmt noch mehr darüber wie es ist in die I-Aah Gruppe zu gehen  🙂